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Alles für den Gewinn
08.10.2018 22:00Wo man hinschaut, das gleiche Bild: es wird alles getan, um "Geld zu machen" oder der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen.
Und dafür wird gelogen, getäuscht, getrickst, manipuliert und auch beleidigt, was das Zeug hält.
Um was gehts genau?
Der Tiger ist ja vor allem kampfsportinteressiert und deswegen schaue ich auch ab und an mal so MMA-Sachen. Da bin ich so 2009 drauf gekommen und seitdem verfolge ich das so in loser Folge mal, wer da gerade aktiv und "on top" ist.
Am Wochenende dann gab es einen Titelkampf im Leichtgewicht zwischen dem amtierenden Champion Kabib Nurmagomedov aus Russland, genauer aus Dagestan im Süden des Landes und dem ehemaligen Champion und aboluten Superstar Connor McGregor aus Irland. Das ganze fand, wo auch sonst, in der Hauptstadt der Unterhaltung, Las Vegas, statt.
Um es gleich abzukürzen: Kabib hat gewonnen, hat den McGregor regelrecht verdroschen und dann ist es in einer Massenschlägerei ausgeartet!
Sehr unterhaltsam anzuschauen, aber eben blöd für alle Beteiligten, weil es die bisher größte Veranstaltung dieser Art war mit den meisten Zuschauern im Bezahlfernsehen.
Wie kam es dazu? Kabib, ein sehr sympathischer junger Mann mit einem Sinn für Humor und, das sieht man ja in Interviews und wie er sich gibt, im Grunde einer guten Seele, kommt aus Dagestan, einer muslimes Teilrepublik Russlands. Dort wurde er von seinem Vater trainiert und das vor allem im Ringen und im Sambo, einer russischen Variante des Judo. Da er es schon seit Kindesbeinen macht, ist er auch richtig gut und macht eigentlich alle am Boden fertig. Anscheinend ist er wirklich auch so gut, dass da kaum einer eine Chance hat und somit konnte er alle seine bisherigen 27 Kämpfe gewinnen, was für MMA, da verliert man immer mal, sehr aussergewöhnlich ist.
Der McGregor wiederum ist eher ein Kickboxer, kann also gut treten und schlagen und hat auch ein super Timing und deswegen auch fast alle seiner Kämpfe gewonnen. Der ist im Federgewicht, eine Gewichtsklasse unter dem Leichtgewicht (bis 70kg) gestartet und wurde da Champion.
Wieso ist der der Superstar?
Na ja, er ist eigentlich ein Großmaul, macht immer ordentlich Show, quatscht einen Haufen Scheisse, ist aber durchaus schlagfertig und lustig, oft aber auch grenzüberschreitend und bringt damit schon die Gegner aus dem Konzept, bevor es überhaupt losgeht. Im Ring hat der dann auch viele KOs hingelegt.
In den USA kam diese Kombination super an und das brachte für den Verband UFC einen Haufen Kohle, auch weil er immer viele irische Fans mitbrachte, die jede Pressekonferenz und Werbeveranstaltung zu einer echten Show machten, so dass er auch irgenwie immer Rückendeckung hatte, wenn er Mist baute oder freche Forderungen stellte, eben, dass er in der nächst höheren Gewichstklasse, dem Leichtgewicht, gleich einen Titelkampf bekommt. Den hat er dann auch gewonnen und wurde 2-facher Champion (ohne je einen Titel zu verteidigen).
Richtig reich ist er dann mit einem Boxkampf gegen den Superstar und vermutlich besten Boxer der Welt, Floyd Mayweather im August 2017 geworden, der als immenses Spektakel aufgezogen wurde. Hier mal eine solche Vorabveranstaltung, um den Kampf zu bewerben: www.youtube.com/watch?v=n7ZcGjg03-E
Den Kampf hat er dann zwar durch technischen KO erwartungsgemäß verloren, aber insgemsamt sah er nicht so schlecht aus und hat damit 140 Millionen Euro verdient.
Kabib hat sich in der Zwischenzeit quasi bis nach oben gearbeitet und hat einen Titelkampf gefordert. Connor war ja der Champion. Es kam aber anders. Wie immer hat Connor den Titel nicht verteidigt, und alle dachten auch, der kommt aufgrund seinen neuerlichen Reichtums nicht wieder, und so wurde der Titel als vakant ausgeschrieben und im April sollte dann ein Titelkampf zwischen Kabib und einem anderen Leichtgewicht der Extraklasse stattfinden.
Im Vorfeld dieser Veranstaltung gab es dann einen Zwischenfall, weil der Trainingspartner von Connor dumm über Kabib quatschte und der diesen in einem Hotel zur Rede stellte. Das wiederum hat den Connor so aufgebracht, dass er mit eine paar Kumpels extra nach New York flog und dort den Bus mit den Kämpfern, die gerade zur oder von der Pressekonferenz fuhren, in einer Tiefgarage mit einer Sackkarre angegriffen. Dabei ging ein Fenster des Busses zu Bruch, es regnete Scherben und Splitter und es gab Verletzte.
Treffen wollte der den Kabib, weil der seinen Kumpel zur Rede gestellt hat.
Hin und her, am Ende gab es den Titelkampf zwischen Kabib, der im April Champion wurde und McGregor und Kabib hat den mehr oder weniger richtig verdroschen, und zwar so, wie er vorher noch nie verdroschen wurde. Im Grunde war es eine öffentliche Demütigung. Der McGregor hatte keine Chance. Wer sich für sowas interessiert: www.dailymotion.com/video/x6uzh5j
So... jetzt kommt aber mal der Punkt, auf den ich hinauswollte.
Wie immer gab es einen riesen Zirkus vor dem Kampf: Pressekonferenzen, Berichte in den Sportzeitungen, Twitterattacken usw usw...
Dabei wurde folgendes auffällig: der Kabib ist immer sehr respektvoll, redet nie irgendwelchen Müll über andere, ist gläubiger Muslim und eigentlich auch noch so ein bisschen osteuropamäßig drauf. Also es geht dem nicht nur ums Geld und dem Ruhm, sondern da spielen eben noch andere Werte eine Rolle. Glauben eben, Familie, Freunde, gutes Vorbild sein, Respekt vor dem Gegner. Das alles vor dem Hintergrund einer recht rückständigen und armen Gebirgsregion, die schon immer hart umkämpft war und wo eben auch eine entsprechende Kultur herrscht. Tschetschenien liegt da ja gleich daneben.
Der McGregor ist da wieder der typische westliche Showmensch, redet irres Zeug, überschreitet dabei immer wieder alle Grenzen, beleidigt den Gegner und sucht da alle möglichen Schwachpunkte raus, wo er dann zum Teil auch übel reingreift verbal.
Das macht er aus zwei Gründen: einmal um den Gegner aufzubringen, so dass der dann Fehler macht und auch um den Kampf zu promoten.
Wie gesagt das kommt in den USA super gut an. Alle seine Kämpfe erzielten hohe Kaufraten (pay-per-views), denn darum gehts ja im Grunde in der Entertainmentbranche, diese Pay-per-views zu verkaufen.
Der Kabib hat das aber nun alles wirklich persönlich genommen.
Der kommt eben nicht aus dem Westen, obwohl er immer wochenlang in den USA vor einem Kampf trainiert, ist aber von der Kultur her eben kein "Westler". Der redet nicht viel, macht dafür lieber und das richtig gut. Dafür verkauft er sich nicht so überragend.
Der Connor hat auch wieder seinen "trash-talk" durchgezogen und den Kabib, dessen Vater, seine Herkunft und seine Religion übelst beleidigt.
Dabei fällt eben auf, dass man heute, um etwas zu verkaufen, eigentlich alles macht, was man eigentlich als schlimm ansehen würde: es wird gelogen (jede Werbung ist im Grunde Lüge), getäuscht, manipuliert, getrickst und in dem Fall eben auch aufs Übelste beleidigt.
Und am Samstag sind dann da zwei Welten aufeinandergeprallt.
Die westliche Welt, die diese ganzen Beleidigungen, Lüger und den Trahtalk als Teil der Verkaufsstategie ansehen, wo man dann am Ende, wenn der Kampf entschieden ist, alles vergisst, weil man gut verdient hat.
Und dann die östlich-muslimische Welt, wo eben noch andere Werte herrschen und wo man das nicht vergisst, wenn der Kampf vorbei ist.
Und am Ende kam das raus: https://www.youtube.com/watch?v=PYZx7A-NpcM
Eine ziemliche Keilerei, wobei alles, was IM Käfig passierte, auf einen Faustsschlag von McGregor zurückzuführen ist. Sieht man bei 0:21min.
Aber was man hier eben erkennen muss: es sind eben unterschiedliche Kulturen und die einen quatschen da Müll und am Ende ist es eben vorbei, war ne gute Show, die Kasse hat gestimmt und bei den andern ist es damit nicht aus, da geht das weiter und denen ist es auch egal, dass sie damit quasi das Karrierehighlight ruinieren.
Das gehts um Ehre und um die Wiederherstellung dieser Ehre.
Das gleiche hat ja auch der Zinedine Zidane abgezogen, als der 2006 im Finale auch ausgerastet ist, nachdem ein Gegenspieler wohl seine Schwester aus Übelste beleidigt hat: www.youtube.com/watch?v=A4-ijCRx-6c
Danach gabs die rote Karte und Frankreich verlor 2:1 glaube ich. Karrierehöhepunkt versaut. Weil eben hier andere Werte wichtiger sind als Geld, Ruhm und sportlicher Erfolg.
Was ich persönlich wirklich übel finde, ist dass es eben so hingenommen, es noch bejubelt wird und es auch Erfolg bringt, wenn man solche schlimmen Verhaltensweisen wie übelste öffentliche Beleidigungen als "trashtalk" verharmlost, nur um damit eben wieder mehr "Geld zu machen".
Ich finde schon, dass es da Grenzen geben sollte. Religion? Na mein Gott, da muss man eben durch, aber wenn man Vater, Mutter, Geschwister da mitreinzieht, dann hört für mich der Spaß auf. Auch wenn es rassitisch oder grundsätzlich menschenverachtend wird.
Überall werden aber um des Geldes, des Gewinnes wegen Grenzen eingerissen, Werte aufgegeben und das Mitmenschliche über Bord geworfen, nur um er Unterhaltung und des Gewinnes wegen.
Und dann gibt es eben am Ende solche unschönen Szenen, weil da eben verschiedene Wertesysteme aufeinander treffen.
Man verliert um des Gewinnes wegen das Eigentliche aus den Augen! Das, worum es geht. Der Zwang, immer mehr Wachstum zu generieren, reisst alle Grenzen ein, auch die von Anstand und Würde und zerstört eigentlich das, worum es im Leben im Grunde geht.
Der Kabib hat das dann später auch deutlich gesagt: die Medien haben eine Mitschuld, weil sie das Benehmen eines McGregor noch gutheißen, es anfeuern, weil dass wieder mehr Klickzahlen bringt.
Es ist eben so: die Anreize sind überall falsch gesetzt und man macht Geld mit den niedersten Instinkten der Menschen und die werden dann auch noch belohnt.
Im Artikel über die Memetik (oder Memik), fand ich auch folgende Stelle interessant:
Der erste Märchenerzähler mit seinen ungünstigen Memen hat im Wirtshaus eher ein Klima des Gegeneinanders, des Mißtrauens, der Vereinzelung und Vereinsamung bzw. Versinglung geschaffen. Die Menschen nerven sich gegenseitig, weswegen man sich voneinander zurückzieht.
Diese ungünstigen Verhaltensweisen, die dazu führen, dass man genervt ist, sieht man immer häufiger und es ist eben auch die logische Konsequenz aus dem Zwang, immer wieder mehr Wachstum zu generieren.
Die Gäste erleiden einen Endorphin-Mangel und gieren von daher unbremsbar nach Suchtstoffen oder allgemein Ersatz-Befriedigungen. Ihr Verstand wird ausgeschaltet. Sie lassen sich auch nicht durch Krankheitsrisiken von dem Konsum der Genußgifte abhalten. Sie sorgen für den bestmöglichen Umsatz.
Der McGregor und sein Chef im Verband, der das ja nicht sanktionierte, sondern den Vorfall in New York noch zu Werbezwecken verwendetet, plus die Medien haben hier genau alle Werte, die bisher galten im Kampfsport, Respekt, Fairness, Anstand, guter Charakter, über Bord geworfen.
Das mussten sie aber tun, um noch mehr Wachstum zu generieren, weil eben solche Grenzüberschreitungen wieder mehr Profit bringen (deswegen werden ja überall die Grenzen mittlerweile eingerissen, egal ob physische Grenzen oder moralische Grenzen).
Bis eben mal einer kommt, uns das ernst nimmt, wie hier eben aufgrund kultureller Unterschiede, und dann eskaliert das. Dann ist das eben alles kein aufgesetzter Gangsterap mehr, um CDs zu verkaufen, sondern dann wirds Realität.
Aber dann wird geschimpft und gesagt: also das geht nicht!
Ja, in unserer Kultur nicht, aber da ist es eben anders.
Der Dr. Maaz hat mal in einem seiner neuesten Videos gesagt, dass bei der Integration von Menschen in einen neuen Kulturkreis auch die etablierte Kultur etwas abgeben muss, um zusammen ein gemeinsames Drittes zu erschaffen.
Von Menschen wie den Kabib lernt man eben, dass es eben auch andere Werte gibt als nur "Geld machen" und materieller Reichtum.
Der hat sich das Gequatsche da nicht gefallen lassen und dann eskaliert es eben auch mal, wenn da unterschiedliche Kulturen aufeinander prallen.
Das Problem: alle Kulturen, die nicht maximal profitorientiert sind und andere Werte haben, werden eigentlich (auch logisch, weil notwendig) als minderwertig und weniger entwickelt dargestellt.
Gerade deswegen wird ja auch die ehemalige DDR nie wirklich mal positiv dargestellt, oder es wird etwas berichtet, was damals auch positiv war. Weil eben dann vielleicht rauskommen würde, dass Menschen durchaus auch leben können und lachen und glücklich sind, wenn nicht alles und jeder der Gewinnmaximierung geopfert wird.
Versteht mich nicht falsch, die DDR will ich nicht zurück, aber die Erfahrungen aus einem Leben, wo nicht alles und jedes der Gewinnmaximierung geopfert wird, erscheinen mir angesichts der zunehmenden Probleme wertvoller denn je, gerade wo nun wirklich alle Grenzen eingerissen werden, um noch etwas mehr Wachstum zu generieren.
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