
Corona-Planspiele
02.03.2020 18:19Lesenswerter Artikel auf den Nachdenkseiten zum Thema Coronavirus.
www.nachdenkseiten.de/?p=58940
Wer beispielsweise selbst zu den konkreten Risikopersonen zählt und sich mit oder ohne Symptome auf das Virus testen lassen will, läuft derzeit in Deutschland gegen eine Wand aus Inkompetenz und Behördenwirrwarr. Die aus Norditalien zurückgekehrte Studentin Rebekka Berthold hat ihren verzweifelten Kampf um einen Test anschaulich auf Facebook geschildert. Ähnlich erging es einem Berliner Notfallsanitäter, dessen verzweifelter Wunsch nach einem Test vom Tagesspiegel wiedergegeben wurde. Einzelfälle? Nein, ganz im Gegenteil. Freundlich könnte man formulieren, dass die „Testlust“ der deutschen Behörden sich eher in Grenzen hält und es ja ohnehin kaum Möglichkeiten und Kapazitäten gibt, diese Tests vorzunehmen. Wer nicht misst, kriegt auch keine Infiziertenzahlen und muss sich nicht aufregen. Nur keine Panik!
Ich kann nur jedem mal empfehlen, sich das, was die Studentin da erlebt hat, durchzulesen. Das knüpft eigentlich genau da an, was der Frank Stoner vor einiger Zeit betreffs Raubüberfall im Grünen Gewölbe in Dresden sagte, dass wir es zunehmend mit Inkompetenz und Niedergang zu tun haben.
Kann man wohl angesichts der Auswirkungen bestätigen.
Wir sind auf der Ebene der Populärliteratur angekommen. Es gibt keine fach- und sachgerechte Hinweise mehr, keine Organisation, die wie am Schnürchen läuft, keine effiziente Handhabung der Krise, sondern es gibt Empfehlungen, die direkt von Douglas Adams stammen:
Da sind wir nun angelangt.
Keine Panik!
Die Realität überholt die Science Fiction Literatur.
Auch Hausärzte laufen mittlerweile Sturm und fühlen sich mit dem Problem überfordert und alleine gelassen. Noch dramatischer scheint die Situation in den Kliniken zu sein; hier ist man bestenfalls für ein paar vereinzelte Fälle vorbereitet. Das wird jedoch schon in ein paar Wochen nicht mehr reichen und spätestens wenn ein größerer Teil des Personals wegen Erkrankung ausfällt, droht die Situation vollends zu kippen.
Keine Panik! Wird schon!! Die Krise kam ja auch vollkommen überraschend!! Wer konnte ahnen, dass das nun auch nach Deutschland kommt? NIEMAND!!! Kein Menschen konnte das ahnen. Klar, wir fliegen jeden Tag Tausende um den halben Globus, auch nach China und wieder zurück, aber dass da ein Virus mitkommt... ja mei, woher soll man das schon wissen???
Und das sieht man ja nicht!!!
Wie soll man das dann entdecken?
Und da man das nicht sieht, kann man sich auch nicht vorbereiten!
Logisch, oder?
Zufall? Fahrlässigkeit? Inkompetenz? Das mag sein, obgleich es schwerfällt, daran zu glauben. Schließlich kommt die Epidemie ja nicht überraschend und es ist ja auch nicht so, dass die deutschen Behörden sich in der Vergangenheit nicht in Planspielen auf vergleichbare Szenarien vorbereitet hätten. Es sieht vielmehr so aus, als hätte man vor allem Angst davor, nun die „richtigen“ Antworten auf die im Raum stehenden Fragen geben zu müssen.
Spaß mal beiseite: DAS ist der Hammer. Die Nachdenkseiten stellen hier genau die richtigen Vermutungen auf, nämlich dass man einfach alles weiterlaufen lässt, um ja nicht die Wirtschaft zu gefährden. Die MÄRKTE dürfen ja auf keinen Fall beunruhigt werden!
Da hätten wir wieder das, was ich schon so oft schrieb: Wachstum über alles!
Ein Blick nach China und hier vor allem in die besonders betroffene Provinz Hubei zeigt, wie eine konsequente Antwort auf die Epidemie aussehen könnte. Dort hat man rigoros ganze Städte und Regionen abgeriegelt und die Infektionsketten vor allem dort gestoppt, wo sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten – und dies ist nicht bei Sportveranstaltungen, sondern auf der Arbeit und dem damit verbundenen Weg zur Arbeit. Das geht in China so weit, dass der durch die stillliegenden Fabriken rückläufige Schadstoffausstoß sogar bereits auf Satellitenbildern sichtbar ist. Können Sie sich vorstellen, dass das VW-Werk in Wolfsburg oder die Deutsche Bank in Frankfurt ihre gesamten Mitarbeiter für zwei, drei Monate nach Hause schickt? Das wäre nämlich nötig, wenn man die Infektionsketten und damit die Epidemie wirklich konsequent unterbrechen wollte.
Das wäre das Ende und der Crash wäre vorprogrammiert. Ich glaube ja schon lange nicht mehr an Inkompetenz, sondern da sitzen ja entsprechende Strategen, die genau wissen, was sie tun. Die schicken nur Politiker vor, die inkompetent wirken, die guten Leute im Hintergrund sind es aber nicht.
Und ich habe den Zynismus der Entscheidungsträger gerade im Planungsjob damals oft mitbekommen. Und das war nur das mittlere Management, da kann man sich ausmalen, was weiter oben noch für Zynismus herrscht.
Da sollte man sich keine Illusionen machen...
Diese Schätzung mag ein wenig zu hoch sein. Doch selbst wenn man eine deutlich niedrigere Sterberate von 0,5 Prozent annimmt, sprechen wir immer noch von 240.000 bis 280.000 Menschenleben.
(...)
Liegt es vielleicht daran, dass offenbar der Großteil der potentiellen Opfer zum Kreis der Alten und Erkrankten zählen wird? Ja, diese Frage ist zynisch.
Da entlastet man die Rentenkasse, viele Wohnungen könnten dann vermietet werden, die braucht man, es kommen ja gerade wieder neuen Migrationsströme ... vielleicht gibts tatsächlich solche Planspiele.
Man hat Atombomben auf Kinder geworfen. Von daher sollte man sich keine Illusionen über Redlichkeit machen.
Das wäre aber nur möglich, wenn man schnell und konsequent handelt und getreu RKI und Seehofer die Infektionsketten konsequent unterbricht … und genau dies findet ja eben nicht statt.
(...)
Die Politik hat kapituliert. Es bleibt die Frage nach dem „Warum“.
Genau. Ich vermute eben wirklich, dass es darum geht, die Wirtschafts nicht abzuwürgen..
Und diese Frage stellt offenbar eine – vielleicht zynisch klingende – Abwägung dar: Was ist gesellschaftlich wichtiger? Produktionszahlen und die Konjunktur oder die potentiellen Opfer an Menschenleben?
Man hat Griechenland verrecken lassen in der Krise, ihnen den Hahn eiskalt zugedreht, nur um Banken zu retten, die sich verzockt haben, man hat damals im Irak den Tod von 500.000 Kindern billigend in Kauf genommen, um Saddham durch Sanktionen zu stürzen, man hat Syrien mit Sanktionen überzogen, die nur die Ärmsten und Schwächsten treffen, man hat den IS aufgebaut und unterstützt.. also bitte, und jetzt reden wir über ein paar Rentner?
Wachstum über alles.
Die Märkte, nur darum gehts. Alles andere hat sich dem unterzuordnen.
Das ist die Realität, in der wir leben.
Und, die die Menschen auch genau so gewählt haben, weil sie bisher davon profitierten.
Wenn die konsequente Antwort auf die offenen Fragen so aussieht, muss man wohl oder übel konstatieren, dass sie mit dem neoliberal geprägten Wirtschaftssystem des Westens nicht kompatibel ist. Unsere neoliberale Politik ist in keiner Form auf eine Epidemie vorbereitet und das liegt wohl auch daran, dass es keine zufriedenstellende „systemimmanente“ Antwort auf das Virus gibt.
Genau so siehts aus.
Alles, was man machen müsste, schadet der Wirtschaft. Alles, was man konsequent durchführen müsste, um das Virus einzudämmen, ist schlecht für die Märkte.
Der Coronavirus hat das Zeug, das Ding, wie das der Ernst Wolff hier ausführte, zum Einsturz zu bringen.
Aber es ist mal wieder klasse: die Nachdenkseiten geben dem Neoliberalismus die Schuld am Versagen / Zögern, die Konservativen sehen es genau andersrum und sagen, weil wir zunehmend Sozialismus haben.
Da sieht man derzeit hervorragend, wie eine Sache vollkommen unterschiedlich bewertet und wahrgenommen wird, je nach Standpunkt.
Und am Ende muss man sich auf die Empfehlung eines satirschen Buchautors zurückziehen, weil man wirklich derzeit nichts besseres hat:
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BIC: GENODEF 1S 10
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