Das alltägliche Elend

26.09.2014 21:01

So, wieder eine Woche rum. Und ich muss sagen, die Zeit kommt mir vor, als vergeht sie im Fluge. Und irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich eigentlich in der selben Situation stecke wie während meiner Zeit im Österreich. Na gut, ich achte jetzt mehr drauf, dass ich pünktlich nach Hause und dafür ab und an mal ins Fitnesstudio gehe. Aber mal ehrlich: aus mir wird kein braver Bürger mehr. In mir weht einfach dieser Wind der Freiheit. Viel Geld, großes Auto, Haus, Sicherheit, Vorsorge ... mir ist das alles sowas von wurscht! Das kann doch in keinster Weise das Gefühl aufwiegen, sich in die alte, aber treue Karre zu setzen, Crosby, Stills und Nash zu hören und gen Süden zu fahren.

Ich hätte niemals den Film "Woodstock" sehen dürfen, auch haben meine Oldies den Fehler gemacht, mir als Kind alle Freiheiten zu lassen. Wenn man einmal von dieser Freiheit geschmeckt hat, dann willste nie wieder was anderes. Ich bewundere ja all die Menschen, die sich um ihre Rente kümmern, sich gegen allerlei versichern, Kredite nehmen und brav abzahlen, zweimal die Woche ihre Frau bumsen und sich auf drei Wochen Urlaub freuen. Ich bewundere das wirklich. Wie hält man sowas aus? Alkohol? Kaffee? Koks? Pornos? Die ganzen Träume aufschieben... Facebookfreundschaften pflegen... Dem Chef in Arsch kriechen, um die Karriereleiter hoch zu klettern...

Was bieten wir eigentlich den jungen Menschen? Was denken die, wenn die sehen, wie die 30er und 40er, also ihre Eltern, reihenweise ausbrennen?

Ich bin ja eh der Meinung, dass wir zunehmend Arbeit simulieren, künstlich aufblähen, faken und einfach etwas machen, was bei näherer Betrachtung bestenfalls Zeitverschwendung ist. Wahrscheinlich ist das die tiefere Ursache des Burn-outs! Die Leute spüren, dass es leere Arbeit ist, sinnfrei, gefakt, aufgeblasen mit hunderten Emails, Terminen und viel viel Papier. Oft hat man für die eigentliche Arbeit kaum noch Zeit, und für Hobbys gleich mal garnicht. Es muss noch eine Email geschrieben werden, ein Termin koordiniert, eine Bericht geschrieben / Vertrag gelesen / Telefonat geführt und eine Besprechung abgehalten werden. "Ja, ich komme gleich, dann besprechen wir das mal kurz, will mir nur noch ne Tasse Kaffee holen...".

Gitarre spielen? Schon vier Wochen nicht mehr gemacht... Kinder? Erziehen Fremde.

Wer geht denn wirklich tief erfüllt aus seiner Arbeit, die ja zumeist den Großteil des wachen Tages ausmacht? Wer geht denn heute noch erschöpft, aber zufrieden nach Hause? Wer ist denn nach einem Arbeitstag noch energetisiert?

Grade jetzt im Herbst, wenn das Wetter langsam diesiger, regnerischer und einfach halt beschissener wird, fällt einem auch mehr auf, wie fertig und gestresst ca. 80% der Leute über 30 aussehen. Das ist echt grausam.

Und irgendwie beschleicht einem immer öfters das Gefühl:

Irgendwas stimmt doch hier nicht!

Wir haben heute eine mehrfache Produktivität als noch zu Zeiten des "Wirtschaftswunders". Damals hat man sich ja tatsächlich Sorgen gemacht, was man denn mit der ganzen Freizeit machen könnte, wenn die Produktivität weiter so steigt. Davon ist ja heute nichts mehr zu spüren. Heute sind viele so gestresst, dass sie sich zu Tode arbeiten. 

Ich habe irgendwie den Verdacht, dass für den einzelnen Menschen der Mittelklasse aber trotz dieser Mehrleistungen, der Flexibilität, der unbezahlten Überstunden, der ganzen erhöhten Produktivität am Ende immer weniger bleibt. Tatsächlich verdient die 30er Generationen nicht mehr so viel wie noch ihre Väter. Wo geht also der Produktivitätszuwachs hin? Wohin geht dieser Erlös aus diesem Zuwachs an Produktivität? Irgendwie hab ich das Gefühl, dass es mal wieder die oberen 10.000 sind, die sich das Meiste einstecken und sich kaputt lachen....die Hartz4er können es ja nicht sein, wenn die nur alle paar Jahre mal 5€ mehr bekommen. lol

Dabei mache ich grade eigentlich nichts: ich beobachte nur. Mich selbst und wie ich mich fühle, wie andere sich bewegen, wie sie aussehen, wie ihre Energie ist... Und was ich da sehe ist alles andere als erbaulich. Ich schrieb ja schon an anderer Stelle: es erschreckt mich. Wenn man das mal vergleicht mit einem im Vergleich armen Land wie Costa Rica, wo man vor allem glückliche und relaxte Menschen sieht... Natürlich haben die viele Sachen eben nicht, aber dafür gehen sie entspannter durchs Leben. Wie gesagt, ich habe dort nicht einen einzigen gestressten Menschen gesehen während meiner sechs Monate Aufenthalt.

"Es ist auffällig, dass der „Burnout-Boom“ mit krisenhaften Entwicklungen an den Arbeits- und Finanzmärkten einherging. Dem historischen Tiefstand der Krankschreibungen in Deutschland im Jahr 2009 steht im gleichen Jahr eine Rekordzahl von Krankmeldungen wegen psychischer Erkrankungen gegenüber, wie der Fehlzeiten-Report der AOK belegt.

Laut einer ebenfalls 2009 erhobenen Studie der Techniker-Krankenkasse geben 80 % der in Deutschland Befragten an, unter Stress zu leiden – deutlich über dem EU-Durchschnitt und quer durch alle Altersgruppen und sozialen Schichten. Bestätigt wird dies durch eine Studie zur Arbeitszufriedenheit im europäischen Vergleich, die 2011 vom Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen veröffentlicht wurde: hier werden wachsende Unsicherheit, Arbeitsverdichtung und geringe Lohnzuwächse als Ursachen für eine sich seit 1980 kontinuierlich verschlechternde Arbeitszufriedenheit benannt, die weit unter dem europäischen Durchschnitt liegt."

Wenn ich mich da noch an meine Großeltern erinnere. Manchmal haben die Frauen im Dorf zusammen gearbeitet, sich dabei vieles erzählt, viel gelacht. Insgesamt wurde früher auf der Arbeit generell mehr gelacht. Heute ist vielen das Lachen vergangen, oder im Halse steckengeblieben. 

Erich Fromm, von dem ich ja schon einmal ein Video verlinkt habe, sagte mal: " Damit diese Wirtschaft gesund ist, müssen die Menschen krank sein ". Und auch Wilhelm Reich sprach ja von einer "massenhaften psychischen Verelendung". Und man muss nur mal mit offenen Augen durch die Welt laufen, um das zu bestätigen.

Ich will nicht klagen. Aber sehe immer mehr, dass WIR die Liebe, die Erfüllung im Solarplexus, die Verbindung und das Einssein und Eingebundensein mit unserer derzeitigen Lebensweise einfach nicht hinkriegen. Und das spüren die Menschen. Sie vermissen es, aber sie finden keinen Weg zurück (schlimmer noch: Menschen, die wieder zum Lebendigen zurückgefunden haben, werden oft sogar unterbewusst gehasst oder angefeindet). UnzuFRIEDENheit macht sich breit. 

Ich hab auch immer öfters das Problem, Hierachien anzuerkennen. Wenn man irgendwie LEBENDIG ist und in dem Anderen den Menschen, den selben Geist erkennt, wie kann man dann an Hierachien glauben? Das Spiel Chef und Angestellter wird einfach nur grotesk. Bruder trifft es eigentlich eher. Man betet ja nicht umsonst "Vater unser....". Und jetzt muss man mit seinem Buder oder seiner Schwester Chef und Angestellter spielen oder Käufer und Verkäufer... ist das nicht wirklich absolut kindisch und lachhaft? Oft ertappe ich mich selber dabei, wie ich eigentlich mit diesem Spiel aufhören möchte, um wieder zu echter Mitmenschlichkeit und Brüderlichkeit zurückzukehren. Leider haben die meisten aber noch nicht begriffen, dass es nur Theater ist, nur ein Spiel. Das machts zum Teil schwierig für mich in der "normalen" Welt, die sich so an Hierachien aufgeilt. Oder diese ganzen Rollen, die Menschen spielen: cool sein, stark sein, was auch immer... was für ein lachhaftes Theater! Wenn man es mit lebendigen Augen betrachtet. Aber die glauben ja wirklich daran, dass sie besser oder anders sind als ihre Mitmenschen. Die glauben ja wirklich, dass da etwas ist , dass abgetrennt von den anderen existiert.

All der Reichtum, all die Fülle, all die Versorgung. Und doch wirken die meisten Menschen auf mich unglücklich und unerfüllt. Zum Teil regelrecht verelendet, selbst wenn sie teure Sachen tragen, grade frisch frisiert sind, im großen Auto daher kommen.

Für mich, dass muss ich ehrlich zugeben, ist die Rohkost, wenn sie denn gut praktiziert wird, ein echter Schlüssel. Eine echte GRUNDLAGE DER VERÄNDERUNG. Eine Rückkehr zum LEBENDIGEN. Aber Achtung! Es hat auch Nebenwirkungen!

Es gibt sicherlich einige dieser Wege zurück aus der Erstarrung zum Lebendigen. Mir fällt da auf Anhieb ZEN ein. Viele dieser Meister wie Ryokan waren ja bekannt dafür, unangepasst und eben lebendig zu sein.

Na schauen wir mal, wie es weitergeht...

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