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Es passiert ganz leise
14.05.2017 17:50Mir ist aufgefallen, dass in Filmen, die etwas Katastrophales als Thema haben, die Katastrophen oft laut sind. Heulende Tornados, brüllende Untiere, dröhnende Tsunamies.. also immer alles mit entsprechenden Soundeffekten unterlegt, damit es noch tiefer rein geht.
In der Realität sieht es ganz anders aus. Da sind die wahren Katastrophen oft ganz leise. Plötzlich hört man keine Bienen mehr summen oder Vögel singen oder die Wüsten breiten sich aus und die Pflanzen, die vorher da standen, sterben ganz lautlos ab.
Heute wurde über eine weitere ganz lautlose Katastrophe berichtet: dem Korallensterben.
Ein Fünftel aller Korallenriffe sind bereits vernichtet, ein weiteres Viertel steht kurz vor dem Kollaps
Das ist eine Katastrophe, hängen doch ganze Nahrungsketten bis hin zum Menschen an der Existenz dieser Korallenriffe.
Woran liegts?
Versauerung, Erwärmung und Sauerstoffmangel setzen die biochemischen Kreisläufe und Ökosysteme in den Ozeanen und damit deren Bewohner unter Stress.
Ein Fünftel aller Korallenriffe sind bereits vernichtet, heißt es, ein weiteres Viertel steht kurz vor dem Kollaps. Denn sie bleichen aus - in allen Teilen der Welt: Auf den Malediven, in der Karibik, im Südpazifik, vor Hawaii oder rund um die thailändischen Inseln. Vom bekanntesten Riff, dem Great Barrier Reef an der 2300 Kilometer langen Küste im Nordwesten Australiens, kam im Mai 2016 die Nachricht, dass zwei Drittel der Korallen auf mehr als 700 Kilometer Länge durch anhaltende Korallenbleiche abgestorben seien.
Diese Absterbeprozesse machen natürlich keinen Lärm, noch wirken sie so bedrohlich wie Flutwellen, Tornados oder andere für entsprechende Filme geeignete Naturerscheinungen. Nein, dass passiert wie auch das Insekten - und besondere das Bienensterben, ganz leise. Genauso leise, wie sich in der Massentierhaltung zunehmend antibiotikarestistente Keime heranbilden oder wie sich die Wüsten ausbreiten.
Und gerade weil es so leise ist, fällt es nicht sofort auf. Und, es geht schleichend. Etwas was ganz ungünstig ist, denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier und kann sich somit auch gut an fortschreitende Umweltzerstörung "gewöhnen". Ein Hagelsturm, wie hier vor ein paar Jahren, der ein ganzes Dorf zerstört, ist eine sehr direkte und plötzliche Veränderung der Lebenswelt dieser Menschen gewesen.
Das war laut, brutal und zerstörerisch. Und die Menschen waren geschockt und verstört.
Bei schleichenden Veränderungen ist es sehr viel schwieriger, Gegenmaßnahmen zu treffen. Denn die Menschen merken, dass sie auch so klarkommen. Und somit ist die Motivation, etwas zu verändern, sehr viel geringer. Nur ist der Knall am Ende oft viel schlimmer als ein Hagelschauer. Und nachhaltiger. Denn Dächer sind schnell wieder aufgebaut, während Ökosysteme, einmal aus dem Ruder, nur sehr schwer wieder herstellbar sind. Wenn überhaupt.
Betroffen seien alle Ozeane, am stärksten allerdings der Nordpazifik. Ohne Korallen gibt es weniger Arten und weniger Fische. Die Folgen für die Fischerei bleiben nicht aus, bedenkt man, dass mehr als zehn Prozent der jährlich gefangenen 89 Millionen Tonnen Fisch in den Riffs leben. Wenn sie sterben, verschwinden nicht nur die natürlichen Schutzwälle gegen Stürme und Überflutung. Auch das Geschäft mit dem Tourismus leidet. Eine Million Urlauber, schätzen Experten, könnten der Region künftig fernbleiben. In diesem Fall entginge dem australischen Staat jährlich eine Milliarde australische Dollar.
Ein Freund von mir, guter Botaniker, hat das ja in Thailand erlebt, wie sehr sich da die Touristen um die Korallenriffe kümmern. Gar nicht. Die Riffe waren total vermüllt mit Plastikmüll. Hat die Touristen aus China, Taiwan, Korea, Russland und wo sie überall herkommen, nicht gestört. Nicht ein bisschen.
Um das Korallen-Sterben aufzuhalten, versuchen Wissenschaftler wie Ruth Gates vom Hawaii Institute of Marine Biology dem evolutionären Anpassungsprozess nachzuhelfen. Die britische Meeresbiologin züchtet besonders widerstandsfähige Super-Korallen, die jeder Art von Hitze oder Verschmutzung widerstehen. Kritiker befürchten allerdings, empfindliche Ökosysteme könnten dadurch für immer verändert werden.
Sowas hat bisher nur ganz selten funktioniert und geht oft auch nach hinten los. Plötzlich überwuchern diese Korallen andere Bereiche oder irgendein anderes Problem tritt auf. Die Motive sind wahrscheinlich schlichtweg Verzweiflung, aber zu oft sind solche Experimente schon schief gegangen.
Aber klar, was will man machen, wenn man die Ursache nicht mal ansatzweise angehen kann, setzen wir mal den schnell ablaufenden menschgemachten Klimawandel voraus. Hat man ja in Paris gesehen. Der Elefant hat gekreischt und gebar eine Maus.
Das Problem ist die Lethargie der Menschen. Man muss es sich aber auch klarmachen: fast überall hat man heute Fernseher, Computer, Smartphones, Laptops und kann sich so von der Medienbranche einschläfern lassen. Hinzu kommt, wie es Dr. Mausfeld in Interview bei KenFM ansprache, dass seine Kollegen aus der Psychologie und anderen Fachbereichen seit vielen Jahren daran forschen, wie man Menschen manipuliert, lenkt und leitet.
Und man muss sich mal die Klickzahlen bei youtube anschauen. Pop, Fun und Games haben Klickzahlen, die in die Millionen gehen, während Wissenschaftssendungen oft nur 5-tellig sind. Wenn überhaupt.
Aber solange die Menschen mit Schopping, Computergames, Telenovelas und halbnackten Popsternchen abgelenkt werden, ja gut, solange wird es nur einige Wenige geben, die da sich da engagieren, während die Masse dem vollkommen gleichgültig gegenübersteht, zumal wenn Entwicklungen auch noch schleichend und leise ablaufen.
Mir ist auch aufgefallen, dass bei den Mainstream-Info-Seiten wie N-TV, Focus und andere neben solch alamierende Artikeln oft Ablenkungen in Form von halbnackten Brüsten, sexy Frauen oder einfach schon weiteren Videos oder Artikel platziert werden. Wie hier zum Beispiel zum gleichen Thema.
Was kann man tun?
Die Kohlendioxid-Konzentration in der Erdatmosphäre ist nah am Limit. Jüngsten Messungen zufolge liegt der Wert inzwischen bei über 410 ppm. Wissenschaftler warnen davor, dass sich die Erde ab 450 ppm um mehr als zwei Grad Celsius erwärmt.
In diesem Fall würde sich das Artensterben massiv beschleunigen. Die Menschheit wäre in ihrer Existenz bedroht. Auf der anderen Seite können wir den Klimawandel noch ausbremsen, heißt es, wenn wir es schaffen, die Emissionen zu verringern.
Na ja, sie schlagen sich ja in der Klimadebatten immer noch die Köpfe ein und streiten, ob es den menschgemachten Klimawandel überhaupt gibt.
Und so vergeht ein Jahr ums andere.
An Erkenntnissen und Veröffentlichungen mangelt es nicht. Bereits vor elf Jahren hatte der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung in einem Sondergutachten vor den klimatischen Veränderungen in den Meeren gewarnt. Doch wer liest so was - außer dem Fachpublikum? Und wer zieht daraus die nötigen Konsequenzen?
Es muss immer erst richtig weh tun. Vorher ändert sich nichts. Es gingen auch weise Voraussicht und vernünftige Entscheidungen. Nur sind die mit einem nun fast vollkommen entgrenzten Kapitalismus schwer vereinbar. Dazu muss man unabhängig sein, darf die Wirtschaft nicht als Selbstzweck begreifen, sondern als Diener des Menschen, der das Leben erleichtert und bereichert. Dann kann man da auch aktiv gestalten.
So aber haben wir einen Götzen geschaffen und uns unterworfen. Und dieser Götze ist schwerfällig und hat zunehmend die Macht über das Denken der Menschen gewonnen. Und deswegen ist es auch so schwer, etwas zu verändern.
Und wie ich bei den Windkraftanlagen ja vermute, sind die Alternativen manchmal auch nicht das Gelbe vom Ei und oft verursacht man vielleicht gerade das, was man zu verhindern suchte.
Sicher wäre dem Klimaschutz wäre effizient geholfen, wenn keine Braunkohle mehr gefördert oder verbrannt würde. Die Bürgerbewegung Campact ist davon überzeugt, die Korallenriffe auf diesem Weg noch retten zu können. Allerdings werden die Politiker immer unfähiger, unabhängige Entscheidungen zum Wohle der Menschen und des Planeten zu treffen.
Ich möchte hier die Klimadebatte nicht neu anheizen (sic!), sondern möchte auf den Punkt eingehen, dass unabhängige Entscheidungen zum Wohle der Menschen und des Planeten immer weniger vorkommen. Ich habe das im Job auch gemerkt. Ich sprach da immer von der "schweigenden Verschwörung" zwischen Politik, Auftraggebern, Planungsbüros, Naturschutzverbänden und Bürgerinitiativen.
Oft hat man sich vordergründig heftig gestritten, aber dann doch einen Konsens gefunden, der aber auffälligerweise oft zu Lasten der Natur ging. Die saß ja nie mit am Tisch, sondern immer Menschen mit unterschiedlichsten Interessen. Ich habe oft gesehen, dass die Sinnhaftigkeit der Projekte, oder besser das System dahinter, dass immer neue Projekte benötigt, nicht in Frage gestellt wurde, eben weil ja jeder davon seine Existenz bezieht. Die Politik gibt sich tatkräftig, die ausführenden Unternehmen wollen verdienen, die Planer brauchen die Projekte zum Leben, die Naturschutzverbände sind ebenfalls Teil des Systems, nur manche Bürgerinitiativen waren hier zumindest ansatzweise renitent. Aber die hatten auch nichts zu lachen. Das ging auch bis zu heftigen Zeitungsartikeln. Denn die Politik hat ja auch ihre Leute in den Redaktionen.
Wo kommen wir denn hin, wenn Projekte komplett verhindert werden? Das würde ja einige Akteure überflüssig machen und "Arbeitsplätze kosten".
Aber zumeist wurde man sich einig. Auf Kosten der Natur. Es war nur eine Art Markt, wo man solange handelte, bis alle zufrieden waren. Da gab es dann z.B. windige Kompenationsmaßnahmen, die nie wirklich funktierten, aber erstmal auf dem Papier gut aussahen und das Projekt ermöglichten. Da waren alle froh. Der Politiker, der sich vor seinen Leuten als Macher profilieren konnte. Die ausführenden Gesellschaften, die nur gebraucht werden, wenn Projekte umgesetzt werden, die Planer, die was aufs Papier gebracht haben und die Verbände, die was zu meckern und zu verbessern hatten. Und alle haben wieder gezeigt, wie wichtig sie doch sind und wie sehr sie doch gebraucht werden. Sprich: Existenzsicherung.
Beispiel Arktis: Anstatt sie unter Schutz zu stellen, streiten sich die Anrainerstaaten des Nordpolarmeeres, wer die verbleibenden Bodenschätze abbauen darf. Auf der andern Seite können auch wir Verbraucher etwas tun, und zwar sofort - sei es bei der Wahl des Urlaubszieles oder der Fortbewegungsmittel. Möglichkeiten gibt es viele. Wir müssen nur endlich handeln.
Wir müssen vor allem den Verzicht als Reichtum begreifen. In Interstellar, einem hervorragenden Film über das Ende der Welt, gibt es ja einen treffendes Zitat:
When I was a kid, it seemed like they made something new every day. Some, gadget or idea, like every day was Christmas. But six billion people, just imagine that. And every last one of them trying to have it all.
Diese Welt ist klein. Aber sie hat genug, um alle zu versorgen. Wofür sie nicht genug hat, ist Gier. Und noch immer wird das Geldsystem, die Wirtschaftsform und vieles, was dringend diskutiert werden müsste, nicht ausreichend diskutiert. Die Welt verändert sich rasant und der Deutsche versteckt sich hinter Mutti Merkel, damit sich die Gartenzwergwelt nicht zu schnell verändert.
Aber das wird nichts werden. Das wird nicht funktionieren.
Aber welchen Krieg will man mit diesen Hanseln gewinnen?
Das ist auch "gut": www.youtube.com/watch?v=P4OVGUQL_tk
Aber das sind eben die Realitäten 2017. Bienensterben, Versauerung der Meere, Korallensterben, Artensterben (zumeist lokale Aussterbeprozesse), Raubbau an der Erde und man kriegt keine 1.000 Leute auf die Straße, wenn es um solche Themen geht. Aber wenns was billig bei Aldi gibt, werden Hunderte aktiv und wenn in Berlin ein beschissener Media-Markt eröffnet wird, strömen da mehr rein als bei den Ostermärschen der letzten Jahre insgesamt mitgelaufen sind.
Wie soll das enden?
Na wenigstens gibt es bei Hollywoodfilmen immer ein Happy End! lol
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