Hm...?

22.06.2024 16:30

Es sind nun Ferien in Sachsen-Anhalt. Und ich hatte ja nun eine vierte Klasse, die nun auch die Grundschule abgeschlossen hat und nun in die nächst höhere Schulstufe aufsteigt. Manche gehen auf die Sekundarschule, andere aufs Gymnasium.

Gestern war Abschlussprogramm (Ich mit der Gitarre bei zwei Songs dabei und meine Kids haben echt gut gesungen), dann noch Abschlußparty am Abend.

Und das wars.

Jetzt weiß ich noch nicht, was ich davon halten soll.

Man hat gesehen, wie sie eingeschult wurden und hatte sie dann vier Jahre vor sich. Zum Teil als Fachlehrer, oder auch als Klassenlehrer. Und dann gibts Zeugnisse, einen Handschlag, Alles Gute! Und das wars. Wahrscheinlich sieht man sich nicht wieder, und wenn, ist eh alles anders.

Irgendwie finde ich das komisch. Also ich bin da weder froh, dass sie weg sind, obwohl sie in dem Alter schon extrem nerven können, noch irgendwie traurig. Es ist eher.. Hm!?

Und das wars?

Zwei Kolleginnen, die als Integrationshelferinnen gearbeitet haben, sind auch weg...

Na klar, das Leben ist Veränderung.

Aber es erinnert mich schon etwas an die große Kritik von Hans Joachim Maaz, der ja sagt, es geht im Endeffekt um Beziehung, nicht Erziehung. Beziehung ist etwas zwischen Mensch und Mensch, wobei der Erwachsene aufgrund seines Erfahrungsvorsprunges natürlich eine andere Rolle hat, aber natürlich auch vom Kind lernt.

Während es bei der Er-Ziehung (er zieht vs. beide ziehen zusammen) um eine (patriachale?) Subjekt-Objekt Stellung geht. Und in der Schule wird das Kind ja zum Objekt gemacht. Das Objekt der Beschulung.

Und da passt dieses Abrupte ins Bild. Die Autos verlassen die Fertigungshalle. Die Produkte gehen in die nächste Produktionshalle. Die Teile haben den Grundschliff drin und werden jetzt in der nächsten Fertigungshalle weiter bearbeitet.

So, kurze Pause, da kommen schon die nächste Charge. Mit Zuckertüte.

Und wie soll man als Lehrer da überhaupt Interesse haben, in Beziehung zu kommen, also zu fragen: Wer bist Du? Was sind deine Stärken? Deine Schwächen? Wie kann ich deine Talente und Interessen fördern? Und was kann ich von DIR lernen?

Wieso überhaupt Emotionen zu investieren, Energie, wenn dann auf einmal Ende und Schluss ist? Wenn da etwas einfach, nach Zeitplan, abgebrochen wird?

In der Natur waren ja die Menschen zum Teil ihr Leben lang zusammen. Da hat man als 40 Jähriger Jäger noch Tricks und Kniffe von den ganz Alten gelernt. Elefanten bleiben in matriachalen Gruppen ihr Leben lang verbunden und bei aussergewöhnlichsten Dürren weiß die älteste Kuh immernoch, wo es noch Wasser gibt, weil sie es vor 40 Jahren schon erlebt hat. Bonobos dito. Und lernen ihr ganzes Leben von der Ältesten und Erfahrensten in der Gruppe.

Also ich bin mir da gerade wirklich nicht sicher, was ich davon halten soll.

Ehrlich gesagt komme ich mir wie ein Fabrikarbeiter, der da wirklich was empfangen, bearbeitet und dann weitergeschoben hat. Ohne je große Bindungen aufzubauen. Warum auch? Das ist ja ein Durchlauferhitzer.

Und nur mal angenommen, einigen fanden, ich bin ein guter Lehrer und wollen gerne weiter von mir unterrichtet werden. Oder überhaupt in Kontakt bleiben, weil es ja noch mehr gibt als nur Mathe, Deutsch und Kram.. sondern auch das, was S.T.S im Song Großvater besungen haben:

Du worst ka Übermensch, host a nie so tan
G'rod deswegn wor da irgendwie a Kroft
Und durch die Art, wie Du dei Lebn glebt host
Hob i a Ahnung kriagt, wia ma's vielleicht schofft

Dei Grundsatz wor: Zerst überlegn, a Meinung hob'n, dahinter stehn
Niemois Gewolt, olles beredn, ober a ka Angst vor irgendwem

So, alles Gute! Tschüß!!

Irgendwas stimmt da nicht.

Aber es ist ja nicht nur das. Einige gehen nun auf die Sekundarschule, andere aufs Gymnasium. Auch da werden ja nun Freundschaften auseinandergerissen.

Mir erscheint das fast etwas traumatisch zu sein.

Mir scheint das auch absolut unnatürlich zu sein. Eher so Fabrikdenken. Objektbearbeitung. Produktionsplan.

Ich kritisiere ja schon lange, dass man die Prinzipien der Industrialisierung auch auf Lebenwesen angewendet hat. Es macht einfach Sinn, auf Maschinen, Massenproduktion, Optimierung, Effizienz und Effektivität zu setzen, wenn es um Schrauben, Autos und generell unbelebte Teile geht. Da kann man mit wenig Einsatz billig in Masse produzieren.

Aber man behandelt alle Nutztiere nach den gleichen Prinzipien, deswegen ja die auf maximale Effizienz getrimmte Massentierhaltung (und Massenpflanzenanbau), die das Lebens wie Schrauben oder Autos betrachtet. Das Leben den gleichen Nutzungsparadigmen unterwirft. Eier maschinell ausbrüten, Hähne schreddern, Hühner auf Eierproduktion trimmen, mit genau ausgeforschten Futter nach Zeitplan füttern, dazu impfen, Antibiotika nach Zeitplan, dann nach genau festgelegter Zeit Kopf ab und endverwerten.

Extrem effizient und effektiv, um billig Nahrungsmittel zu produzieren, aber vollkommen krank.

Und schlussendlich werden auch die Menschen selber dem unterworfen. Große Klassen, Subjekt-Objekt-Beziehung, Lehrplan, jetzt noch die große Digitalisierung.

Irgendwie regen sich da bei mir Zweifel, dass das so OK ist. Sollte man nicht ein Leben lang verbunden bleiben, wenn man gut miteinander auskommt? Sollte das nicht eher so eine natürliche Art und Weise des Lernens sein?

Jetzt habe ich das mal erlebt, wie es ist, wenn man wen einschult, vier Jahre beschult und dann: Zeugnis in die Hand und Machts gut!

Das Zeugnis ist dann wie so eine Art Produktionsbericht für den Nächsten in Fertigungshalle 3. 

Aber eine Industriegesellschaft erfindet eben auch ein Industrieschulsystem. Und sowie man das aufweicht, menschlicher gestaltet, hat das Auswirkungen auf die Industriegesellschaft. Die funktioniert dann nämlich so nicht mehr, was auch erklärt, wieso eben viele alternativen Schulformen nie wirklich zum Durchbruch gelangten. Wahrscheinlich sind die Digitalisierung und die Robotertechnik sogar die einzigen Auswege, weil man dann die Menschen nicht mehr zu effizienten Humanrobotern machen muss, die 5 Tage die Woche 40 Stunden, egal wie es ihnen geht, welche Impulse sie haben, was sie an lebendiger Entfaltung dafür unterdrücken müssen, ihren Kram machen müssen, damit alles am Laufen gehalten wird.

Also wie ich schon schrieb, so richtig weiß ich noch nicht, was ich davon halten soll.

Es scheint mir aber irgendwie ... unnatürlich zu sein.

Keine Ahnung, vielleicht irre ich mich auch.

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