Samstag

29.09.2018 17:22

Das Gartenjahr neigt sich dem Ende zu. War im Endeffekt garnicht so schlecht. Gerade bei den Früchten und den Nüssen war es echt ertragreich, wobei ich noch schauen muss, ob die Qualität so gut ist, dass sie sich auch halten.

Aber schauen wir einfach mal...

Hier mal ein paar Impressionen:

1. Im Nachbarort gibt es einen Nussbaum. Ich habe mit dem Besitzer gesprochen und abgemacht, dass ich die Nüsse sammeln kann. Gesagt getan, aber als wir einmal da waren, kam ein älteres Ehepaar. Die wollten da auch was sammeln und ich habe gesagt, sie können gerne ausserhalb der Zäunung sammeln, weil innen auch noch Kühe weiden. Es hängen genug volle Äste über den Zaun.

Der Alte ist dann aber reingekommen, hat da rumgesammelt, ich habe welche für uns runtergeschüttelt und der hat die frech aufgeklaubt und dem Freund meiner Mutter unter der Nase weggeschnappt. Da bin ich dann etwas laut geworden. Ich fand das schon eine Unverschämtheit, dass der die aufsucht, die innerhalb der Abzäunung sind, und dann auch noch die, die ich runtergeschüttelt habe.

Das ganze wäre kein Problem gewesen, wenn er höflich gefragt hätte. Aber so dummfrech einfach reinkommen und aufsuchen, das fand ich wirklich eine Unverschämtheit. Und da musste ich dann schon was sagen.

Irgendwann hat er es auch kapiert und ist abgehauen. Seine Frau hat garnichts erst gesagt, sondern immer fleissig gesammelt.

Also wie gesagt, ich habe da extra mit dem Besitzer und dem Pächter, der da die Kühe drauf hat, gesprochen und gefragt. Und dann kommen da Leute rein und einfach mal so mir nichts, dir nichts, trallala fangen die an, die Nüsse aufzusuchen.

Da ist mir mal bewusst geworden, was passieren würde, wenn es mal doch eine Krise geben sollte und die schwärmen aus den Städten ins Umland aus. Die waren ja auch aus der Kreisstadt. Da wird man sich dann bewaffnen müssen. Dorfwehren bilden oder irgend sowas. Der war ja als Rentern schon so penetrant wie ein Schakal am Löwenriß, da kann man sich vorstellen, wenn die ganzen Jüngeren ausschwärmen.

Ich halte die ganze Entwicklung ja eh auf vielen Ebenen für den Weg ins Verderben.

Einerseits die zunehmende Verstädterung, dann der Verlust von Wissen bei der Dorfbevölkerung, dann die Degeneration der Böden, keiner hat mehr Saatgut, dann auch die heterogene Bevölkerungsstruktur, die zunehmende Verdummung usw usw...

Das läuft so auf Chaos pur hinaus, wenn es irgendwo mal kriselt im System.

Statt die Dörfer zu beleben, den Menschen Möglichkeiten zu geben, wie sie da Landwirtschaft und Gärten betreiben und wie sie sich selber versorgen können, machen wir genau das Gegenteil.

Damit wird aber ALLES immer instabiler. Eine breite dörfliche Kultur mit allem drum und dran und eine Gesellschaft ist doch recht krisenfest. Eine von einer externen Versorgung abhängige Stadtkultur einerseits und eine industrielle Landwirtschaft auf der anderen Seite ist maximal instabil.

Das weiß auch jeder, da wir aber in einer süchtigen Wachstumswirtschaft leben, die immer mehr und mehr Kaufakte realisieren muss, geht da kein Weg zurück. Da müsste man schon echt eine gesündere Wirtschaftsordnung erfinden, so dass man solche Großprojekte auch umsetzen kann.

Heute laufen die Transmissionsriemen der Umverteilung in den Städten heiß.

Na ja... alles prima. Darf halt nur nichts schiefgehen.

2. Die Ausbeute des Tages.

Die Nüsse sind in diesem Jahr schon recht gut getrocknet. Luftgetrocknet am Baum quasi.

3. Äpfel konnten wir auch gut einlagern.

Wie gesagt, ich muss schauen, wie die Qualität ist. Ob sie lange lagerfähig sind. Das Jahr war ja nun sehr extrem und ich habe keine Ahnung, wie sich das auf die Haltbarkeit der Früchte auswirkt. Auch sind die Temperaturen im Lagerraum noch etwas zu hoch. Es ist eben noch kein Winter. Da passt es dann zumeist optimal.

Aber schauen wir mal. Die anderen Jahre zuvor gings ja auch.

Viele Äpfel haben wir aus dem eigenen Anbau, aber auch aus ehemaligen Schrebergärten und auch von Restbeständen alter Streuobstalleen.

Die Kirschen, die an der Kreisstraße in Richtung Köthen stehen, werden auch Jahr für Jahr weniger. Natürlich wird nichts nachgepflanzt. Es darf eben nichts umsonst sein und es bringt eben mehr Wachstum, die gespritzten Kirschen aus Tirol oder aus Süddeutschland oder gar Spanien und der Türkei ranzukarren, statt ganz lokal die Straßen und Wege zu bepflanzen, so dass sich die Menschen hiervon versorgen können.

Ich glaube, wir haben da den Punkt, ab dem es ungesund wird, schon lange überschritten.

Es wäre eigentlich sinnvoll, wenn sich die Menschen selber versorgen würden und es regional und lokal anbauen und wo man die Überschüsse auf dem Markt verkauft. Dann hat jeder seine Lebensgrundlage und kann aus den Überschüssen, die Natur ist ja zumeist reichhaltig, auch andere mitversorgen. Und wer es größer aufziehen will, wird eben Bauer.

Statt dessen haben wir eine enorme Arbeitsteilung, wo eben die Obstbauern mit Säulenobst, riesigen Maschinen und Spritzmittel hantieren und der Transport zum Endverbraucher auch noch einen Haufen Diesel verbraucht, nur damit die Menschen in ihren Bullshit- und Nullsummenjobs den Transmissionsriemen der Umverteilung bilden können.

Bullshitjobs sind Jobs, die bei genauer Betrachtung eigentlich vollkommen überflüssig sind oder nur existieren, weil man die Gesetze und das Leben immer komplizierter macht. Bullshitjobber sind die, die man getrost nach Hause schicken kann und keiner hat das Gefühl, das was fehlt.

Und Nullsummenjobs sind so Jobs wie meiner, Landschaftsplaner, wo man eigentlich nicht wirklich was Produktives macht, sondern nur die Schäden, die andere mit ihren Tätigkeiten auslösen, abfedert. Also so Jobs, ohne die die Destruktivität zunehmen würde. So Richtung IT-Experten, der seine ganze Arbeitszeit damit verbringt, die Sicherheit zu gewährleisten und destruktive Kräfte abzuwehren. Haker, Spammer und sowas. Der produziert eigentlich gesamtwirtschaftlich nichts, sondern muss nur der Destruktivität Einhalt gebieten.

Ist bei den Landschaftsplanern ja ähnlich. Da erschafft man ja auch nichts, sondern erstellt aufwendige Ausgleichs- und Ersatzmaßnehmenkataloge für vorangegangene Zerstörung.

Und gerade diese Jobs nehmen ja immer mehr zu.

Früher waren die Menschen wohl fast alle irgendwie produktiv tätig. In der Landwirtschaft sowieso, aber dann eben auch als Mechaniker, Maschinenbauer, Planer, Bäcker, Schmied usw.. also am Ende der Tätigkeit stand immer etwas, was man nutzen und gebrauchen konnte und was das Leben ermöglichte oder besser machte.

Also Jobs, wo am Ende eine geistige Leistung steht, mit der man etwas anfangen kann oder eben ein materielles Produkt, was man entsprechend nutzen kann.

Mit der Zunahme der Produktivität wurden aber immer weniger Menschen gebraucht, um die Dinge herzustellen, die man braucht.

Und seitdem gibt es eben eine immense Zunahme an Bullshit- und Nullsummenjobs. Und das wird natürlich noch mehr zunehmen, wenn irgendwann die Roboter den ganzen Kram, den die Leute meinen zu brauchen, herstellen.

Das wäre für mich eigentlich der Moment, die Menschen wieder das Leben auf den Dörfern schmackhaft zu machen, wo sie dann wieder produktiv tätig sein können. Einfach indem sie wieder richtig gute Lebensmittel anbauen. Die kriegt man nämlich nicht mit industrieller Produktion.

Gerade Burn-Out nimmt wahrscheinlich vor allem deswegen auch zu, weil die Arbeit zunehmend als hohl und sinnlos empfunden wird.

Apropos schmackt machen:

4. Ausbeute von heute.

Es ist eben eine andere Art von Reichtum, den man da hat.

Es wäre aus meiner Sicht wirklich ein Schritt in die richtige, gesündere Richtung, wenn man es den Menschen irgendwie wieder schmackthaft machen und auch die Voraussetzungen schaffen würde, dass die, die wollen, wieder in dieser Richtung produktiv arbeiten könnten, statt in den Städten zu hocken, immens hohe Mieten zu zahlen und dort am Ende irgendwelche sinnlosen Tätigkeiten zu verrichten, die einen Haufen Ressoucen und Energie verbrauchen, aber bei genauer Betrachtung vollkommen überflüssig sind. 

Das ist ja auch irgendwo das "falsche Leben" und die Menschen spüren das ja. Klar, mit Konsum kann man diese Gefühle schon immer wieder beruhigen, aber genau das ist ja auch irgendwo der falsche Weg.

Der Maaz hat ja Recht: jetzt haben wir ein Jahr rum nach der Bundestagswahl 2017 und ein Jahr eigentlich verschwendet. Statt dass wir diskutieren, wie wir das falsche, das gierige und das süchtige Leben wieder mehr in eine gesunden Richtung bringen. Und auch in den nächsten drei Jahren wird sich da nicht viel tun, vermute ich.

Dabei wäre es wirklich eine große, wenn nicht sogar die größte gesellschaftliche Herausforderung, das falsche Leben aufzugeben und mehr in Richtung gesundes Leben zu gehen.

Gesundes Leben kann eigentlich nur heißen, in ALLEN Lebensbereichen und Phasen, von der Geburt über die Kinderbetreuung, die Ernährung, die Schulbildung, Freizeitgestaltung, Beruf, Beziehungen, Liebe, Sexualität, Alter und Sterben wieder mehr Natürlichkeit zuzulassen.

Und alleine wenn man sich vorstellt, überall nur einen Hauch mehr Natürlichkeit zuzulassen, wird klar, wie süchtig und hierig wir sind.

Versucht mal ganze Heerscharen an Teenagern ihre Computerspiele abzugewöhnen. Die rasten aus. Denen wird die Natur, die Umwelt fad und langweilig vorkommen. Da sind ja die Reize sehr viel geringer. Das Einzige, was da noch reizt, sind NOCH MEHR Reize.

Oder versucht mal, Millionen von Männern beizubringen, dass das Audi Sport Coupé nicht das ist, was sie brauchen. Die werden heulen und jammern und viele werden nicht losklassen können.

Oder versucht mal Millionen Frauen zu sagen, dass ein Paar Schuhe reicht, oder dass eine schöne Tracht schöner ist als jedes Jahr neuen Moden hinterherzurennen. Das werden viele garnicht aushalten. Da wird man ganze Sanatorien nur für den Schuhentzug einrichten müssen.

Also da sieht man mal, wie gierig und süchtig das Ganze schon geworden ist und wie schwierig das wird, da wieder auf einen gesünderen Weg zu gelangen.

Stellt euch die Banker vor, wenn die merken, dass ihre Privilegien mit einem natürlicherem Geldsystem verschwinden werden. Die große Villa, das Penthaus, der Porsche...

Man muss sich mal diesen gesamtgesellschaftlichen Entzug vorstellen.

Was da für Tränen fließen werden, da werden sich wahrscheinlich Leute sogar umbringen, weil sie es nicht aushalten werden, nicht immer wieder neu shoppen zu gehen.

Was das für bittere Einsichten notwendig macht am Ende.

Nur, das kommt so oder so.. entweder jetzt freiwillig oder später erzwungen.

Das gesunde Leben will ja raus und wenn es nicht so zum Ausdruck kommen kann, wird es eben vorher immense Krisen brauchen.

Der Maaz sagte ja in einem Vortrag, dass wir vielleicht einen Klimawandel brauchen, um zur Einsicht zu gelangen.

Ich hoffe nicht, weil ein so ein Jahr reicht mir vollkommen und mit einem Klimawandel wird es noch schwerer alles.

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