you cannot blame them

24.03.2014 12:29

So, bevor ich zum eigentlichen Thema komme: die Stelle, wo ich vermute, dass es auch eine Bakterieninfektion ist und nicht nur ein aufgekrazter Mueckenstich, ist nicht grösser geworden. Hab fleissig eine Creme drauf getan und nun mal schauen, was wird. Und der vier Millimeter grosse Seeigelstachel ist nun auch endlich raus, den hatte ich über eine Woche in der Haxe. Heute war er nun endlich fällig. Aber das sind ja alles eher Lapalien.  

Aber was mir in unserer kleinen Gemeinschaft nun schon wiederholt aufgefallen ist, und was ich auch schon viele viele Male in anderen Gruppen, wie auch immer diese aussahen, kennengelernt habe, dass es eine Art kapitalistische Krankheit gibt, die ich vor allem bei Menschen kennengelernt habe, die in diesem System aufgewachsen sind. Anhand eines Beispiels moechte ich mal verdeutlichen, was ich meine:

Im Studium waren wir eine sehr durchmischte Truppe, sowohl von der Herkunft als auch vom Geschlecht und auch vom Alter her. Ein anderer Mitstudent und ich waren die Ältesten und noch in der DDR gross geworden. Der Rest zum Grossteil dann im kapiatlistischen System des Westens. Und eines Tages im ersten Semester gab es ein Skript, was man natuerlich im Studium gut gebrauchen kann, weil man dann nicht mehr alles mitschreiben muss. Eine Mitstudentin hat das in der Kopierwerkstatt entdeckt und für sich kopiert. E****, mein guter Freund, hat das gesehen und sie dann gleich angeraunzt: "Wieso hast du es nicht gleich für alle kopiert?". Sie hat den Vorwurgar nicht verstanden. Aus ihrer Sicht hat sie nur das gemacht, was jeder im Kapitalismus macht: Auf sich geschaut und einen Vorteil erlangt. Aus E**** Sicht hat sie sich aber einfach unkollegial und egoistisch verhalten. 

Hier sind tatsächlich zwei unterschiedliche Einstellungen aufeinander getroffen: Im Kapitalismus aufgewachsene Menschen haben diese Art der Gemeinschaft, des Fuer-einander-Mitdenkens und -sorgens offensichtlich einfach so nicht kennengelernt. Wir, die wir noch DDR-Kinder waren, schon. Und wir haben es dann geschafft, dass ab diesem Zeitpunkt immer jeder, der etwas Wichtiges entdeckte, es gleich für alle kopiert hat. Oder wichtige Infos weiter gegeben hat, oder einfach mal für andere mitgedacht hat. Wer das nicht machte, hatte in der Studienklasse einen schlechten Ruf. In Parallelklassen in anderen Studiengängen war da zum Teil abgrundtiefer Egoismus anzutreffen, aber da ich und E**** die Ältesten waren, und wir einen anderen Background hatten, sah es gleich anders aus. Da mussten einige Studenten, die das anders gewohnt waren, erst umdenken. Aber sie lernten dann, dass sie Vorteile haben, wenn sie für andere mitdenken und andere für sie mitdenken. Es gab weniger Stress, mehr Freizeit, mehr Gemeinschaft.. mehr Lernerfolg. Am Ende waren wir eine gute Truppe, die auch, oder gerade deswegen, durch das Teilen zusammen wuchs. Das alles kam, weil die beiden Ältesten sich dafür eingesetzt hatten. 

Aber woher hab ich das? Oder E****? Na ja, ich hab zuhause oft gehört: "Nimm das gleich mit für X mit", "denk dran, dass Y das auch braucht", "ich hab dir das gleich mal mitgebracht, du hast doch gesagt, das kannst du auch gebrauchen", "da muss man doch einfach mal mitdenken!", "...weil Du mit den Gedanken nicht bei der Sache bist" (ich war wirklich als Kind sehr verträumt) usw usw... und das hat sich auf der Arbeit / Lehre / Fussballplatz dann später fortgesetzt: "Wieso hast du das nicht gleich hingestellt, der brauch das doch morgen!", "Pass auf deine Kollegen auf, wenn Du mit dem Kran hantierst", "spiel ab und fummel nicht so lange!". Und so ist man dann mit sowas gross geworden. Und wenn denn wer anders handelt, ist man echt erstmal angepisst, aber die haben das einfach anders gelernt. Ich hab das hier auch an einem anderen Beispiel gesehen: auf einer Wanderung war ich vorneweg und bin einen anderen Weg gegangen, als es der der Orginal Wanderweg war. Als ich mich umdrehe, waren meine Mitwanderer weg. Sie sind einen anderen Weg gegangen und ich stand alleine in der Gegend rum. Und sowas wäre mir mit meinen alten DDR Kumpels NIE passiert. Da hätte es einen Pfiff gegeben, einen Hinweis, einen Ruf. Aber für meine Mitwanderer hier war es ganz normal, nur erstmal an sich zu denken und kein Augenmerk für die Mitwanderer zu haben. Hauptsache, in meinem Garten regnets... lol

Auch kenne ich hier Leute, die haben auf den Märkten so gerafft, dass man meinen könnte, ab morgen gibts nichts mehr. Auf einem Rohkosttreffen hatten wir mal einen Avokadoengpass. Und dann kam der Jürgen Hauck mit einer Ladung angefahren. Gleich haben sich ein paar Leute draufgestürzt und wollten gleich alles einheimsen. Ich bin dann relativ massiv dazwischen gegangen und hab die Avokados erstmal "gesichert". Dann hab ich die unter den Leuten verteilt. Andersrum hätte es nur Misstöne gegeben. Dann hätten wieder zwei Leute, die zufällig als erstes am Wagen waren, alles gekauft und der Rest hätte dumm mit tropfenden Zähnen dagestanden. Klar, im Kapitalismus wäre das dann eine Verdienstmöglichkeit. Angebot und Nachfrage. Also erstmal alle sichern und dann teurer weiterverkaufen. Auf solch einem Verhalten kann man aber keine Gemeinschaft aufbauen, keine liebevolle Zusammenkunft organisieren und auch keine Freundschaften erhalten. Mit teilen und mitdenken, mit aufeinander-achtgeben aber schon. Die Völker des Nordens teilen nicht unmsonst den Wal oder das Rentier gerecht auf. Und von den Vitamin C reichen Stücken bekommt jeder seinen Anteil. Man passt auf sich auf und teilt. Vom kapitalistischen Standpunkt her ist das aber keine Geschäftsgrundlage. 

Ich glaube wirklich, dass diese unterschiedlichen Verhaltensweisen mit dem Wirtschaftssystem zusammenhaengt, in dem man aufwaechst. Der Kapitalismus ist eben ein System, das den Egoismus befeuert, statt die kooperative Zusammenarbeit. Und schlussendlich sind wir dann alle vereinsamt irgendwo alleine, weil wir gar nicht mehr zusammen sein können, weil wir die grundlegenden Fähigkeiten dazu nicht mehr gelernt haben. Kapitalismus bedeutet ja, einen Vorteil gegenueber einem anderen haben, um im Ringen um den Zugang zu einer Ressource nicht zu verlieren. Einen Vorteil haben und daraus ein Geschäft machen. 

Wir sind ja früher da ganz anders erzogen worden. Mitdenken, für einander da sein, zusammen lernen, Kollektiv. Schon auch Leistung, aber nicht zum Preis, dass wir uns separieren und nicht mehr miteinander auskommen. Auch war das Thema Geld in Gesprächen früher nie so präsent, wie ich es dann nach der Wende in westlichen Kneipen und Lokalen erleben durfte. Bis heute ist es das vorherrschende Thema. Nicht Liebe, Gemeinschaft, Mitgefühl, nein, Kohle. Es war befremdlich, aber der Osten hat schon lange aufgeholt!! lol

Frueher haben wir auf dem Weg zur Disko und vor allem während und nach der Disko auf uns aufgepasst. Niemand, noch so besoffen, ging verloren, niemand wurde zurückgelassen. War wer weg, wurde er gesucht und auch gefunden und nach Hause gebracht. Das war Usus, da gab es kein Nachdenken drüber. Sondern das war normales Handeln. Jetzt, wenn ich da zurueckdenke, muss ich sagen, dass wir da vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet, weiter waren als heute. Klar, heute haben wir all diese ganzen Konsumgüter und können Durian aus Thailand essen. Aber wärmt der wirklich genauso im Winter wie das Gefühl, dass man hat, wenn jemand an mich denkt und ich merke, dass da wer ist, der meine Bedürfnisse wahr nimmt? Vielleicht ist der Winter erst so kalt geworden, weil wir das warme Gefühl der Gemeinschaft verloren haben. 

Es gab hier noch einige andere Erlebnisse, die mich staunend, fassungslos und erschreckt zurück gelassen haben, wo ich echt dachte: "Da denke ich doch gleich mal mit! Dann passiert sowas erst gar nicht!" - aber man kann niemanden etwas verübeln, wenn er es nicht gelernt hat

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